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Wenn eine Band sich Vierkanttretlager nennt und mit dem ziemlich übel am Bein verletzten Sänger Max Leßmann auftreten muss, könnten alle selbst ernannten Könige der Kalauerkultur Hochkonjunktur haben. So tatsächlich geschehen jüngst in der Großen Freiheit 36, als die Husumer Post-Abiturienten und Casper-Buddies den Kids der ersten Reihen die hart wehende Indie-Flagge ins Gesicht stachen. Doch kaum sind die Wunden verheilt, kommt es schon zum nächsten Übergriff: “Die Natur greift an”. Gefeiert wird das passenderweise in der Pony Bar am 27. Januar im Rahmen der neuen Akustik-Konzertreihe “Ponys Fohlen”.
Mit ein wenig Fantasie lässt sich auf “Die Natur greift an” nicht nur die feine Textzeile “Alles sieht besser aus, wenn man nicht hinsieht” mit dem schlicht-grauen Cover-Artwork in Einklang bringen. Apropos subtil versteckte Gewalt: Einen Flächendeckerende und poetischere Fleischbeschau hat das Thema “Hooligans” zumindest im weitesten Sinne auch noch nicht gefunden, wie hier bei Vierkanttretlager. Und warum übrigens sollen Jugend samt Tugend nicht auch mal zu Seefahrer’s Klängen im IndiePop-Gewand das zeitliche segnen. Vergänglichkeit überhaupt ist das zentrale Thema, das hier mitten hinaus aus dem Innersten der gehassliebten Kleinstadt flieht.
Und sich somit auf dem direkten Weg über Los in eine Zwischenwelt begibt, deren beiderseitige Ufer in einer garstigen, undurchsichtigen Fremde liegen (“Schluss aus raus”). Das eine noch, das andere schon länger wieder. Befindlichkeiten werden übrigens auf “Die Natur greift an” überwiegend ohne “Zwischen den Zeilen” lesen zu müssen dem Diskurs anheimgestellt. Elf Lieder lang, den großen Bruder Pathos größtenteils ausgespart zugunsten klarer, reflektierter Blicke über den eigenen Horizont.
Wie viel Lyrik deutschsprachiger Indie verträgt, daran dürften sich dann bald spätestens nach der nackten Odyssee von “In jedem seiner milden Blicke” die Forums-Geister des gesamten Landes streiten. Oder sogar die Mädchen vom Casper-Konzert, denen Vierkanttretlager im Vorprogramm eigentlich viel zu laut waren, die sich nun aber auf deren Facebook-Seite für die Texte interessieren. Zwei Welten? Leßmann, bitte übernehmen Sie! Deiche brechen bekanntlich richtig. Oder eben nicht. (kel)
