Wenn das Reeperbahn-Festival zu Ende geht, ist es gute alte Tradition, den letzten Gig in der Prinzenbar stattfinden zu lassen. Im vergangenen Jahr hatte sich dafür Antony Szmierek angekündigt, der mit seinen UK-Garage-Klängen und poetisch angehauchten, autobiografischen Hip-Hop-Flows eher am tanzbaren Ende des Musikspektrums angesiedelt ist. Wir waren an dem Abend vorher noch auf einem anderen Konzert und schafften es erst zur Prinzenbar, als die Show schon angefangen hatte. Unser Vorteil war allerdings, dass dadurch niemand mehr davor wartete.
Allerdings ließen uns die grimmigen Türsteher*innen mehr als deutlich wissen, dass es keine Chance mehr geben würde, Antony an diesem Abend noch live zu erleben. Ob es am Ende dann am Dackelblick eines meiner Begleiter lag oder eine Fügung des Schicksals war, lässt sich im Nachhinein nicht mehr feststellen. Auf jeden Fall winkte uns die gesichtstätowierte Security-Dame irgendwann durch und wir waren drin. Der Raum war knüppeldickevoll, der Sound stampfte schweißtreibend aus den Boxen, und so verzogen wir uns auf die Empore, um etwas durchzuatmen. Was wir nicht wussten: Antony hatte in dem Moment wohl dieselbe Idee gehabt und turnte wie eine Meerkatze schwindelerregend nahe an der Balustrade vor uns herum. Plötzlich wandte er sich unvermittelt mir zu, hielt mir eine Hand vor die Augen und sang oder vielmehr schrie mir eine Textzeile ins Ohr, die mehr oder weniger freundlich die Aufforderung enthielt, die Augen zu schließen und die Realität für einen Moment zu vergessen. Nichts schöner als das, dachte ich mir nach all dem Festivaltrubel der letzten Tage, und es wurde schlagartig dunkel um mich herum …
Als ich die Augen nach einer gefühlten Ewigkeit wieder öffnete, hatte sich etwas im Raum entscheidend verändert: Nicht ich blickte in ihn hinein, sondern die Leute starrten mich an, als hätten sie gerade mit einer kurzen Flucht aus der Wirklichkeit 100 Karma-Punkte auf einmal gesammelt. Dies ist die Kunst, die Antony Szmierek bei seinen Live-Performances vermittelt: hinterher ist nichts wie vorher, auch wenn man es nicht erwartet. Ihr wollt das auch einmal erleben? Dann kommt doch am 14. April ins Häkken und lasst euch von ihm mit auf die Reise nehmen. (dse)