Ein meditatives Schwingen im Inneren, abseits des Hier und Jetzt, irgendwo in einer gar fragilen höheren Bewusstseinsebene, die so eigen ist und doch im Kollektiv ihres Gleichen sucht, um sich zu entfalten. Wer an diesem Abend den Saal der Elbphilharmonie betreten hat und sich der Magie von Sigur Rós & dem London Contemporary Orchestra hingab, war vermutlich längst konditioniert auf diese Welt, die sich wie eine warme Umarmung um einen gelegt hat. Mal tröstend und im anderen Moment fest umklammernd, um den starken inneren Schmerz in kleinste Fragmente zu brechen und mit dem Kollektiv zu teilen.
Die Streicher des 41-köpfigen jungen Orchestras heben die sphärischen Kompositionen der Isländischen Band schon beim Auftakt mit der Single „Blóðberg‟ aus dem neuen Album „ÃTTA“ auf ein intimeres Momentum und nehmen jeden im Saal auf eine magische Reise mit, die zugleich auch ein neues Kapitel der Bandgeschichte ankündigt. Wie ein meditatives Schweben durch die sanfte, nur leicht pulsierende See gestalt sich das erste Set der Isländer. Mit „Starálfur“ erreichen Sigur Rós dann einen ersten Höhepunkt, getragen von den dynamischen Wechseln des London Contemporary Orchestra, spitzen sich die sphärischen Klänge hier in all ihrer Anmut zu und lassen einen nach tiefen Ein- und Ausatmen sprachlos zurück, während Sänger und Gitarrist Jónsi zu „Dauðalogn“ wechselt und kurz danach still von der Bühne geht und den Rest der Band mit Dirigent Robert Ames und dem Orchestra zurücklässt. Mit „Varðeldur“ bildet sich hier eine Symbiose aus den letzten beiden Stücken, in denen sich das Orchestra minutenlang gar meditativ in Trance spielt, getragen von den sanften und doch beherrschenden Pianotönen, die am Ende für sich sprechen und einen intimen Ausklang schaffen.
Im zweiten Set bebt der Körper förmlich von den intensiven, teils schmerzhaften Harmonien der warmen See. Das meditative Momentum geht über zu einem hymnischeren, bewegten Part, der in seiner fragilen Welt farbiger erscheint, ohne bunt zu sein. Fehlte zuvor noch ein wenig der Spannungsbogen, baut er sich hier immer stärker auf, wenn auch die Spitzen primär über die Vocals Jónsis kommen und das orchestrale Gewand sich meist nur geschmeidig und sanft mit den flirrenden Streichern darum bettet. Doch dann brechen die Streicher in „Skel“ förmlich aus, spielen sich in Rage als würde in ihnen eine höhere Macht mit aller Kraft nach außen dringen wollen, nur um von den zarten, intimen Pianotönen in „FljótavÃk“ wieder aufgefangen zu werden. Während das Atmen längst schwer fällt, dann das imposante Finale, welches Jónsi in „HoppÃpolla“ gibt, wo er förmlich um sein Leben singt, um all sein Innerstes gänzlichst nach außen zu kehren. Ein wahrlich magischer Abend, der mit „Avalon“ ausklingt und selbst bei den Standing Ovations keinerlei Worte braucht, denn im Inneren sind alle längst eins.
Text: Tanja Kilian
Foto: Daniel Dittus